Jetzt mal ehrlich …

Wie wir mittlerweile wissen vermittelt die gezielte Instrumentalisierung von Sprachmarotten eine gewisse Gefühlsgeborgenheit. Oft brauchen wir diese Schuhlöffel, um die Kommunikationszüge fahren lassen zu können. Ehrlichkeit ist Charaktersache, aber wie steht es mit der Ehrlichkeit im täglichen Sprachgebrauch? Ehrlich gesagt: übel!

Analysieren wir hierzu einige Beispiele:

  1. „Ehrlich gesagt … “: Soll Vertrautheit im Gesprächspartner induzieren und die Bereitschaft zur uneingeschränkten Offenheit signalisieren. Sagt aber bei Lichte besehen* nichts anderes als: „Ich lüge dich eigentlich immer an, jetzt bin ich einmal ehrlich.“
  2. „Ich muss ganz ehrlich sagen!“: Muss man das nicht eigentlich immer? (Ein Gesprächspartner sollte das voraussetzen können). Und wenn nicht, warum muss man das „Müssen“ dann extra betonen? „Müssen“: Mein persönliches Extra?
  3. Man muss ganz ehrlich sagen!“: Wie obiger Punkt, nur in verschärfter Form. Die Distanz zum Ich wird vergrößert: Eigentlich müsste ich ehrlich sagen. Aber das soll wer anderer übernehmen. Die Reinwaschung von allem.
  4. „Jetzt sei mal ehrlich …“: Weil ich weiß, dass du mich immer anlügst, fordere ich jetzt Ehrlichkeit à point. Eine freche Unterstellung.
  5. „Ehrlicherweise“: Laut Duden „in der Absicht, ehrlich zu sein“. Wer das zu mir sagt, hat schon ausgespielt.
  6. „Du, ganz ehrlich?“. Nein. Bitte lüg mich an! Ich habe es nicht anders verdient.
  7. „Ehrlich zu sich selbst sein“. Die Quadratur des Kreises im Seelenleben eines Menschen.

Sind Sie also auch so ein grundverlogener Zeitgenosse wie ich? Dann haben Sie es einfach notwendig und retten sich wahrscheinlich das ein oder andere Mal mit camouflierenden Floskeln wie den eben angeführten über die Runden. Seien Sie einmal ehrlich zu sich selbst und gehen Sie in sich … to be or not to be honest?

*bei Lichte besehen ist, ehrlich gesagt, auch so eine Sprachmarotte. Ein prosaischer Pausenclown, aber ein ehrlicher.

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