Versuch übers „Heast“

Nichts ist in der Wiener Alltagssprache so unentbehrlich wie der Dauerbrenner „Heast“. Ein „Essential“, aber auch ein veritables „USP“ des eingefleischten Wieners, schließlich enttarnt sich dieser letztlich durch ein frohgemutes „Heast“ unverkennbar als solcher. Was aber hat es mit diesem Sprachschatz tatsächlich auf sich? Ich versuche mich an einem kurzen etymologischen Abriss (obwohl mir ein Aufriss lieber wäre), weiß aber nicht, ob ich nach Niederschrift dieses Artikels ein glücklicherer Mensch bin, als ich es ohnehin jetzt schon nicht sein möchte.

Erste Ansätze:

  1. Geoff Hurst, Rennenglisch:„Dschoff Heast“: Englischer Fußballheld, der den Deutschen 1966 die WM-Party vermiest hat. Aus sportlicher Sicht definitiv starker Österreich-Bezug, indes scheint er mit dem eigentlichen „Heast“ nicht das Geringste zu tun zu haben. Der Vollständigkeit halber erwähnt. Hurst Oida, not my cup of tea!
  2. Lakehurst („Lekheast“): „Heast, uroasch, da Tseppelin brennt o!“
  3. „Heast as net“ („Hörst dus nicht“): Muntere Volksweise von Hubert von Goisern. Wir nähern uns langsam dem Kern der Sache.
  4. „Heast“ = „Hörst (du)“: Wahrscheinlich die Mutter aller „Heasts“. Schönes Beispiel für die linguistische Grundtransformation im Österreichischen – „Ö“ wird zu „E“ (Vögeln -> Veg’ln, Bögen -> Beg’n, Vöcklabruck -> Vecklabruck, Börse -> Bers’n etc.). Das nur leicht angeschnuddelte „A“ ersetzt das „R“ und ist eine Wiener Spezialität (wie die Klaviere von Besendoafa, das Figlmülla-Schnitzel um aktuell € 13,90,  oder diese Tschok’lad-Doatn vom Sacha).
  5. „Heast Oida“: Der klassische Aufmacher. Übersetzbar als „Hör‘ mal Alter, halt ein mein Freund!“. Passt zu jeder Gelegenheit, wenns halt einfach passt, Oida. Wienerischer Grundwortschatz. „Dschoff Heast“ würde sagen: „Basic Word Treasure“. Grußformel, Lebenslauf und Vorstellungsgespräch in einem. Und noch viel mehr.
  6. „Heast!“. Mit Rufzeichen so viel wie: „Pass doch auf!“. Oder auch: „Reiss‘ dich z’samm!“, „Schleich dich!“, „Lass mich in Ruhe!“, „Fick dich!“, „Aua!“, „Da hab ich jetzt Mist gebaut!“  (je nach Kontext).
  7. „Heast!?“. Mit Ruf-Fragezeichen so viel wie: „Was ist mit dir? Geht’s noch?“. Bodenständiges Ensemble: „Heast!? Hams da ins Hirn g’schissn!?“.
  8. „Heast?“. Mit Fragezeichen so viel wie: „Das überrascht mich jetzt.“ Oder: „Bist deppert?“ (Geht auch klarer mit: „Heast, bist deppert?“ oder „Heast, bist deppert Oidaaa?“. Aber Wiener lieben die Verknappung).
  9. „Heast.“ Mit Punkt und Kopfschüttler: „Was bildest du dir ein?“, „Was glaubst’n du, ha?“.
  10. „Heast…“ Das Punktipunktipunkti-Heast: „Pffff, ich glaubs grad nicht“ oder: „Das ist mir zu hoch“. Geht auch als „Du hast vielleicht ein krankes Hirn“ durch.
  11. „Heeeast!“. Langgezogene Variante. Steht für „Oida, das geht ma jetzt sowas von am Ooooarsch“. Aber auch: „Dir kann man’s nicht recht machen“. Oder: „Was redest du für einen Scheiß?“, „Da klappt grad gar nix“.
  12. „Nau Heast!“: Anerkennungs-Heast. „Das hast du aber gut gemacht“, oder: „Super Sache!“, „Wow!“.
  13. „Heast“ passt immer. Mein Lieblingspunkt.

„Heast-ifiziertes“ Kommunikationsbeispiel, dem 43er zu frühen Morgenstunden entrissen:

Sie: „Heast, mir is urkoid“.

Er: „Heast Oide, des is ma wurscht.“

Sie: „Heast!?“

Er: „Heeeast! Zickst umanaund?“

Sie: „Heast!“

Die Beispiele sind vielfältig. Der Wiener liebt die Prosa (er quatscht viel). Aber ein einfaches „Heast“ vermag ganze Gefühlswelten unkompliziert auf den Punkt zu bringen. Deshalb ist Wien, wie es ist. Heast, Oida.

 

 

 

 

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