Der Speck

Bei mir zu Hause wohnt ein Speck. Er tut das seit geraumer Zeit, hat es sich im Kühlschrank gemütlich gemacht und grinst mich dort, fein durchzogen und duftend wie das Paradies, vom obersten Regal hämisch an. Es handelt sich bei dem Speck aber nicht um einen gewöhnlichen Speck, oh nein, vielmehr ist es, um Frau Kristallo zu zitieren „ganz bestimmt der beste Speck der Welt“, der sich da über dunkle Kanäle aus der Steiermark (Stichwort: nur im Hofverkauf) zu uns verirrt hat. Aber hier endet die Besonderheit des Specks noch lange nicht, denn Frau Kristallo betonte, als sie den Speck aus ihrer Tasche nahm, ihn kurz zärtlich tätschelte, und im obersten Regal des Kühlschranks platzierte, mir gegenüber explizit: „Den heben wir uns aber für eine ganz besondere Gelegenheit auf, gell?“

Besondere Gelegenheit? Ich war zutiefst enttäuscht, verstand aber die unterschwellige Botschaft. Seither führt der Speck in unserem Kühlschrank das Dasein eines UNESCO Weltkulturerbes und mir bleibt nichts anderes übrig, als auf die „besondere Gelegenheit“ zu warten. Ich selbst habe ja kein Problem, eine solche zu erkennen. Ein spätnächtliches launiges Nachhausekommen, begleitet von einem handfesten Hungergefühl, ist für mich Gelegenheit genug. Doch ist mir klar, wieviel Ärger es mit Frau Kristallo gäbe, würde ich mich meinen niedrigen Gelüsten hingeben. Mehr als ein sehnsüchtiges Betrachten des Specks kommt also nicht in Frage, und nach weiteren dreißig zappeligen Minuten lege ich das kleine Jausenmesser wieder zurück in die Lade und gehe ins Bett.

Hin und wieder ertappe ich mich dabei, dass ich für romantische Atmosphäre sorge, Kerzlein entzünde, Düfte versprühe und kiloweise Rosenblätter streue, ehe Frau Kristallo heimkommt. Hernach entspinnt sich gerne folgender Dialog:

Ich sage: „Ich glaube, heute ist ein ganz besonderer Abend!“

Sie sagt: „Sprichst du vom Speck?“

Ich sage: „Welcher Speck?“

Danach zerbricht mein Herz.

Gestern fand die Speck-Affäre endlich ihr Ende. Ich kam heim, und siehe da, auch Schwager Klaus war zugegen, ein seltener Besuch, arbeitet Schwager Klaus doch sonst im fernen Dubai, wo er nach Öl fahndet. Nach launigem Gezeche, immerhin hatte man sich seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen, graute irgendwann der Tag, und wir entließen Schwager Klaus unter viel Winkewinke in die kühle Morgenluft. Ich selbst fühlte mich jedoch noch putzmunter, und während ich Frau Kristallo zu Bette brachte und ihr die Decke glatt strich, dachte ich bei mir: hab ich einen Hunger! Was folgte ist vorhersehbar: Lade – Jausenmesser – Kühlschrank – oberstes Regal … der Speck war weg! „Entführung“, kreischte ich, und stürmte wieder ins Schlafzimmer, um umgehend Bericht über dieses niederträchtige Verbrechen zu erstatten. „Beruhig dich“, murmelte Frau Kristallo schon halb in Träumen, „ich hab den Speck dem Klaus mitgegeben, da unten in Dubai kriegt der Arme ja sowas Gutes sonst gar nicht!“

Ich muss daraufhin mehrere Stunden in Ohnmacht gefallen sein, und als ich erwachte, versuchte ich sofort, die Zollbehörden der Vereinigten Arabischen Emirate darüber in Kenntnis zu setzen, dass ein Ungläubiger versuche, eine größere Menge an Schweinefleisch ins Land zu schmuggeln. Es war jedoch zu spät: Schwager Klaus hatte bereits die Grenze überschritten.

(pa)

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