Peppi Schmalz: Der Marathonmann (x-mas Ed.)

„Magista, es warat wieda amoi Zeit fiar wos Cooles!“, nörgelte Peppi Schmalz, und ich witterte Gefahr. Wir saßen beide am Stammtisch der Alsbachprinzessin, denn Lieblingskellner Frantisek war heute mildtätig gestimmt, und verbannte den Peppi nicht wie üblich in die geruchs- und grunzlautneutrale Dranglerzone hinten links, gleich zwischen Wurlitzer und Gastherme.

„Apropos cool!“, rief ich Richtung Schank und signalisierte dem Frantisek die Mutter aller Gesten, auf die hin er mir spornstreichs das nächste Krügerl zapfte. Aber Peppi ließ nicht locker.

„In der Zeidung, mit der i mi heit Nocht zuadeckt hob, is gschdaund’n, dass miar do in Wean zwarazwanz’g Christkindlmärkte haum.“

„Wahnsinn“, sagte ich, Perplexität simulierend.

„Gö, ned amoi an in jed’n Bezirk!“, Peppi schenkte sich aus der am Tisch stehenden handlichen 1,7-Liter Jägermeisterflasche ein weiteres Achterl ein, „Des is a Frechheit!. Des is a Oarschpartie, waunsd mi frogst!“ Ja, weltbewegende Themen wie dieses sind es, die die Emotionen im Peppi hochkochen lassen. Und tatsächlich, schon sprang er auf. Ich hasse das.

„Wos de Schüla kennan, des kennan miar scho laung“, schrie Peppi, packte mich am Ärmel und zerrte mich hinaus in die Schweinekälte.

„Peppi, lass mich“, winselte ich, „ich muss doch noch den Nachruf auf den Mandela …“

„Schleich di Magista, der is muarg’n a no tot!“, maßregelte mich Peppi.

„Weiche, Satan!“, kreischte ich.

„Nix do. Pass auf, so is da Plan: aus Protest gegen die Christkindlmoarktlosigkeit vau sovüle Wiena Gemeindebezirke, moch’n miar zwa Fesch’n heit an Christkindlmoarktmarathon. Olle zwarazwanz’g Christkindlmärkte aun an Obn’d!“

„Ich glaub, mir wird gerade schlecht!“

„So a Bledsinn! Wo samma? Hernois? Super, do faung ma glei im Türkenschanzpark au!“

Und los ging es, und zwar richtig. Man sieht es diesem Teilzeitobdachlosen ja nicht an, aber wenn er sich mal etwas einbildet, entwickelt der Peppi Schmalz eine Energie, mit der man die gesamte westliche Hemisphäre ein Jahr lang beheizen könnte. Immerhin trotzte ich ihm auf dem Weg zum Adventmarkt im Türkenschanzpark noch das Zugeständnis ab, pro Weihnachtsmarkt nur EINEN EINZIGEN Punsch zu konsumieren. Das müsse reichen, so meine Argumentation, um unserem Anliegen ausreichend Gehör zu verschaffen. Und wie das reichte.

Türkenschanzpark – Franz-Jonas-Platz – Schönbrunn – Meidlinger Hauptstraße – Fußgängerzone Favoriten – Quellenstraße – Columbusplatz. So arbeiteten wir uns, zwar nicht gerade systematisch, aber doch irgendwie vor. Und es war am Columbusplatz, als ich mich von Peppi erstmals mitreissen ließ, vor einem türkischen Lebkuchenstandl das Fliegerlied anzustimmen.

„Meine Herren“, ließ sich da ein überraschend geschwind aufgetauchtes Mitglied der Wiener Exekutive vernehmen, „hamma leicht was getrunken?“
„Es wird scho glei dumper!“, nuschelte Peppi und grinste auf eine Art, die er wohl für entwaffnend hielt.

„Und i fliag, fliag, fliag, …“, kam ich ihm eloquent zu Hilfe, und wedelte ein bisserl mit den Armen herum.

Der Polizist seufzte. „Schleicht’s Euch von da, i hab in zehn Minuten Dienstschluss!“

Da halfen der Peppi und ich doch gerne. Altes AKH (Last Christmas) – Spittelberg (Do they know it’s christmas time?) – Naschmarkt (Hell’s bells, Helter Skelter): dies waren die nächsten Stationen unserer Tournee. Der Adventmarkt am Naschmarkt ist besonders gemütlich, was unversehens dazu führte, dass ich kurzerhand auf mein Recht nur EINEN EINZIGEN Punsch trinken zu dürfen verzichtete, und ihm stattdessen und zeitnah noch ein paar Brüderchen hinterdreinschickte.

Mariahilfer Straße – Schottenfeldgasse – Karlsplatz – inzwischen waren uns endgültig die Weihnachtslieder ausgegangen – Schloss Belvedere – Landstraßer Hauptstraße – Palais Harrach (wie zum Teufel sind wir dorthin gekommen?) – Stephansplatz – Mahlerstraße. Hier angekommen, drohte mir, dass ich die Gewalt über meine prallvoll gefüllte Blase verlor. Aber Peppi wusste natürlich auch hier Rat.

„Do schau, Magista, do glei hinter dem Christbamtandler, do gangat’s!“

Und es ging tatsächlich, wie ich, mich erleichternd, feststellen durfte, während ich glücklich den Donauwalzer vor mich hinpfiff und den frischen harzigen Duft der mich umgebenden Flora genoss.

Maria-Theresien-Platz – Am Hof – Freyung.

„Glei haumas g’schofft, Magista“, lallte mir Peppi freudestrahlend ins Ohr, „Hoppauf! Finale Grande vuarm Rodhaus!“

Wir schafften es tatsächlich. Dreißig Sekunden bevor die letzte Punschhütte dichtmachen wollte, platzierte Peppi noch siegessicher ein „Zwa Long Island kriag ma no! Owa zackig!“

„Öha“, vernahmen wir da eine Stimme hinter uns, „da würd ich mich doch glatt noch anschließen.“ Die Punschstandlbesitzerin, die eben noch dreingeschaut hatte, als würd sie dem Kollegen Schmalz eine schmieren wollen, bekam einen ehrfürchtigen Blick.

„Na für den Herrn Bürgermeister mach i doch gern noch a halbes Überstünderl. Hihi!“, und schon standen drei prächtige Weihnachtspunsche vor uns. Wir prosteten einander zu.

„Du Michl“, begann Peppi Schmalz, und trotz meines definitiv nur mäßig taufrischen Zustandes zog es mir schon mal die Arschbacken zusammen, ob des Irrsinns der da jetzt wohl noch folgen würde.

„Du Michl, miar find’n des totaaal fiarn Oarsch, dass bei uns do in Wean ned amoi jeda Besssirk sein eiganan Grisgindlmoagd hod!“, schwadronierte Peppi, und ich versuchte mich als Ganzer in meinem Punschhäferl zu verstecken.

„Hm. Interessant, dass Sie das erwähnen“, nachdenklich nippte unser lieber Herr Bürgermeister an seinem Heißgetränk, „mir geht das nämlich auch schon etliche Jahr‘ ziemlich auf die Eier!“ Ich verschluckte mich und bekam einen Hustenanfall.

„Wisst’s was meine Herren“, der Bürgermeister richtete sich den roten Schal, „die Frau Claudia im Café Bendl macht einen ganz ausgezeichneten Glühwein aus’m Burgenland. Besprech ma die Causa doch dort in aller Ruhe weiter!“

Hallelujah.

 

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