Glas voll voll

Heutzutage ist alles „voll“, auch wenn etwas leer ist. Sie kennen sicher dieses kleine, überall auftauchende Wort „voll“ – das Schweizer Taschenmesser moderner Kommunikationsmarotten. Denn mit „voll“ lässt sich so gut wie alles ausdrücken. Es ersetzt langsam aber sicher seinen Vorgänger „ur“ (momentan herrscht noch friedliche Koexistenz). Unter jüngeren Zeitgenossen sind zusätzlich die Abwandlungen „volle“ und „voll-ey“ gebräuchlich.

Einige Beispiele:

  1. „Voll“ im eigentlichen Sinne der Bedeutung, z.B.: „Das Glas ist voll“. Die einfachste Variante. Voll langweilig!
  2. „Voll“ als bekräftigende Zustimmung: „Das Glas ist voll“ – „Voll!“ (meint: „Stimmt!“)
  3. „Voll“ als Verdeutlichung einer ansonst vagen Aussage und Punkt 2) als Antwort: „Das Glas ist voll voll“ – „Voll.“
  4. „Voll“ als Hilfsmittel, seiner Überraschung Ausdruck zu verleihen: „Das Glas is ja voll voll, bitte!“ – „Na voll bitte!“. „Na voll bitte“ geht auch noch deutlicher mit „Na aber bitte voll auch noch!“ oder mit „Vollgas, ey“.
  5. „Voll“ als „Danke“ und  Grußformel: „Ciao, schönen Tag noch! – „Voll, dir auch voll!“
  6. „Voll“ als Wildcard im Sinne von „Weiß ich nicht“ oder ein euphemistisches Nein, das man aber so nicht sagen möchte: „Herr Kollege, sieht es mit den Zahlen für September eh gut aus?“ – „Voll.“
  7. „Voll“ als einfaches „Ja“: „Gehst du heute mit mir ins Kino?“ – „Voll.“

Sie sehen also, mit dem Wörtchen „voll“ kommt man ziemlich weit und kann auf weite Teile seines mühsam erarbeiteten Wortschatzes getrost verzichten.

So, und jetzt ist mein Glas Mineralwasser am Schreibtisch voll leer und ich hab volle den Durst (diese Konstruktion geht nur mit „voll“ – oder schon mal „Ich hab den Durst“ gehört?). Voll blöd, oder? (Wer jetzt „Voll!“ denkt, hat’s kapiert).

Das könnte dich auch interessieren …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

css.php